Hype statt Handbuch – was Fahranfänger heute wirklich beeinflusst

Was früher das Lehrbuch war, ist heute der TikTok-Feed. Immer mehr Fahrschüler holen sich ihre Infos und Inspirationen längst nicht mehr aus klassischen Quellen. Sie nutzen lieber Kurzvideos, Livestreams und virale Trends. 

Laut einer Bitkom-Studie aus dem Jahr 2023 sind 92 Prozent der Jugendlichen zwischen 16 und 19 Jahren täglich in den sozialen Medien unterwegs. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen, unter anderem auch auf ihr Verhalten hinter dem Steuer und in der Führerscheinausbildung. TikTok-Videos mit Hashtags wie #Fahrschule, #Führerschein oder #Fahrprüfung erreichen Millionen Aufrufe. Viele dieser Clips liefern praktische Tipps zur Theorieprüfung, andere zeigen vermeintlich witzige, aber oft gefährliche Fahrmanöver. 

Die Grenzen zwischen Unterhaltung und Lernhilfe verschwimmen – mit spürbaren Folgen für den Fahrunterricht.

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Fahren als Content – wenn der Führerschein zur Bühne wird

Die sozialen Netzwerke verändern nicht nur, wie junge Menschen lernen, sondern auch, warum. 

Der Führerschein ist für viele mittlerweile nicht nur ein essentielles Dokument. Er ist auch ein wichtiges Symbol für Selbstständigkeit, Mobilität und Status. Auf TikTok wird der Moment des „ersten Mals am Steuer“ regelmäßig gefeiert, meist mit passender Musik, Filtern und gerne auch einer Extraportion Adrenalin.

Besonders beliebt: das Filmen von Fahrstunden oder Prüfungsfahrten – teilweise leider auch ohne Einverständnis der Fahrlehrer. Die Fahrzeuge spielen generell eine wichtige Rolle: Je auffälliger, desto besser. In diesem Zusammenhang greifen einige Creator zu ungewöhnlichen Mitteln. So sind etwa zahlreiche Clips verbreitet, in denen Nutzer für ein Wochenende einen Sportwagen mieten, um ihre ersten selbstständigen Fahrten mit besonders großem Wow-Effekt zu inszenieren. 

Fahrlehrer unter Druck: Zwischen Medienkompetenz und Methodenanpassung

Auch die Fahrschulen sehen sich damit vor neue Herausforderungen gestellt. Einerseits bieten Plattformen wie YouTube oder TikTok durchaus einen Mehrwert, etwa hinsichtlich der Visualisierung komplexer Verkehrssituationen oder als Ergänzung zum theoretischen Unterricht. Andererseits sorgen sie häufig für unrealistische Erwartungen und Unsicherheiten: Suggeriert ein virales Video, dass die Fahrprüfung in fünf Tagen problemlos geschafft werden kann, prallen Wunsch und Wirklichkeit im Unterricht oft hart aufeinander.

Laut einer Umfrage des Bundesverbands Deutscher Fahrschulunternehmen gaben 68 Prozent der befragten Fahrlehrer an, dass Social Media die Erwartungen ihrer Schüler deutlich beeinflusst – insbesondere in Bezug auf die Fahrzeugausstattung, den Prüfungserfolg und die Lernzeit. Immer häufiger müssen Lehrkräfte also nicht nur Fahrtechniken vermitteln, sondern auch Mythen aus dem Netz richtigstellen.

Zwischen Trend und Verantwortung: Wie reagieren die Verbände?

Die Diskussion über den Einfluss von TikTok & Co. auf den Straßenverkehr hat längst auch offizielle Stellen erreicht. 

Die Deutsche Verkehrswacht sowie der Deutsche Verkehrssicherheitsrat fordern mehr Aufklärung über die „digitale Fahrkultur“. In Schulungen und Kampagnen wird daher inzwischen gezielt auf moderne Risiken hingewiesen, etwa das Handy am Steuer oder gefährliche TikTok-Challenges.

Zudem wird diskutiert, ob die Medienkompetenz auch Teil der Fahrschulausbildung werden sollte. In Österreich ist das Thema in Modellprojekten bereits integriert: In diesen reflektieren Fahrschüler ihre eigene Mediennutzung in Bezug auf ihr Fahrverhalten. Auch in Deutschland wäre ein solcher Ansatz denkbar – nicht als Pflicht, aber durchaus als sinnvolle Ergänzung.

Chancen nutzen, Risiken benennen

Social Media verändert die Welt − und auch die Fahrschule. Das ist Fakt. Es liegt nun an den Bildungsträgern, den Fahrlehrern und der Verkehrspolitik, diesen Wandel konstruktiv zu begleiten. Digitale Tools lassen sich durchaus sinnvoll in den Unterricht integrieren − vorausgesetzt, die Inhalte werden kritisch eingeordnet und korrekt vermittelt.

Gleichzeitig braucht es jedoch klare Grenzen: Fahrstunden sollten nicht als Content-Quelle betrachtet werden. Denn: Sicherheit muss immer vor Selbstdarstellung stehen. Der Führerschein bleibt ein Meilenstein – er ist allerdings kein TikTok-Trend, sondern ein verantwortungsvoller Schritt in die Selbstständigkeit im Straßenverkehr.